Ein Bericht von Mannschaftsführer Oswald Gutt
Am Sonntag vor Karneval hatten die Bergischen Schachfreunde eine delikate Aufgabe zu lösen: sie mussten sich für den Viererpokal für Vereinsmannschaften qualifizieren.
Dem Kölner Schachverband (KSV), dem die Bergischen Schachfreunde angehören, steht für die Startrunde auf NRW die Teilnahme von sechs Vereinen zu. Da neun Vereine gemeldet hatten, galt es, in einer Vorausscheidung die Teilnehmer zu ermitteln. Drei hatten Losglück und waren damit sofort berechtigt, doch BSF gehörte nicht dazu und musste im Heimspiel gegen die Schachfreunde Ford-Köln antreten.
Sein Sieg bedeutete die Qualifikation für NRW: Philipp Gelsok
Wie es der Name schon verrät, gehören vier Spieler einer Mannschaft an. Die Gastmannschaft hat an den Brettern 1 und 4 die weißen Farben, Brett 2 und 3 dagegen der Heimverein. Dies hat einen guten Grund, denn sollte der Kampf 2:2 enden, entscheidet zuerst die Berliner Wertung, und damit ist die Wertigkeit der Bretter gemeint. So ist die Wertigkeit von Brett 1 = 4, von 2 = 3 usw., ähnlich wie die Bauern beim Skat. Ein arithmetisches Unentschieden ergäbe sich z.B., wenn alle remis spielen oder eine Mannschaft gewinnt an 1 und 4, die andere an 2 und 3, Wertigkeit = 5:5. In diesem Fall würde das Los entscheiden, Stichkämpfe sind laut Ausschreibung nicht vorgesehen.
Diese Vorüberlegung haben alle erfahrenen Pokalmannschaften im Hinterkopf, und so kommt es oft vor, dass unter diesen Bedingungen eifrig Ergebnisprognosen gedeihen.
Beide Teams traten nicht in Spitzenbesetzung an, doch konkurrenzfähig waren die Spielpartner allemal. Wir gingen mit Philipp Gelsok, Harm-Wulf Thelen, Oswald Gutt und Andreas Müller in den Ring. Ford war von den Wertungszahlen etwas schwächer, aber der Pokal hat bekanntlich seine eigenen Gesetze. Bereits nach einer Stunde sah es freundlich für unser Team aus. Zwar hatte keiner von uns einen signifikanten Vorteil, doch wir hatten alle vier ein angenehmes Spiel und waren somit guter Dinge.
Phase 1
Philipps Gegner Achim Fokken wählte gegen dessen Sizilianer das berüchtigte Morra-Gambit, was auf Kosten eines Bauern eine flotte Figurenentwicklung und Angriffsmöglichkeiten verheißt. Harm-Wulf und sein Kontrahent Stefan Proba spielten einen „ruhigen“ Grünfeldinder, die Stellung war lange ausgeglichen. Ich bekam es mit Mohammed Karim zu tun, der noch nicht lange bei Ford spielt. Mit einer Zugumstellung lockte ich ihn in die Pirc-Verteidigung, in der ich als Weiß-Spieler den klassischen Aufbau mit Läufer auf e2 und kurzer Rochade bevorzuge. Seine Antwort war, vorsichtig formuliert, „interessant“. Andreas schließlich sah sich dem Londoner System gegenüber, eine Eröffnung, die bis vor ca. 10 Jahren ein bescheidenes Dasein fristete, sich dann aber bis heute explosionsartig auf allen schachlichen Ebenen ausweitete. Doch Andreas zeigte sich zu Recht unbeeindruckt und gelangte zu einer angenehmen Position, in welcher er bald die Initiative übernahm.
Phase 2
Nach ungefähr einer weiteren Stunde wurden die Konturen klarer: Philipp hatte den ersten Druck abgeschüttelt und durch geschicktes Manövrieren den Mehrbauern behauptet. Wenn es am ersten Brett gut läuft, ist das fast die halbe Miete (s.o. zum Thema Wertigkeit). Der versierte Stefan Proba wiederum hatte gegen Harm-Wulf die a-Linie erobert und bei (noch) materiellem Gleichstand etwas Initiative, was aber noch keinen wirklichen Grund zur Besorgnis gab. Meine Partie entwickelte sich sehr vorteilhaft für mich. Harm-Wulf meinte zu mir nach dem Wettkampf, er hätte sie zu diesem Zeitpunkt bereits als gewonnen für mich abgehakt. Die am Abend durchgeführte Computeranalyse bestätigte seine Einschätzung. Andreas gelangte unterdessen zu starkem Druckspiel am Damenflügel, was in einen Bauerngewinn mündete. Hier begann ich das „Abhaken“.
Phase 3
Nach der dritten Stunde besaßen Philipp, ich und Andreas jeweils einen Mehrbauern, Harm-Wulf einen Minusbauern. Die Ford-Spieler erwiesen sich als ausgesprochen zäh und verteidigten tapfer ihre schlechteren Stellungen, während Harm-Wulf trotz seines materiellen Nachteils kein Problem hatte, das Turmendspiel zu halten. Bald gab es erste Resultate: Ich hatte es „geschafft“, meine fast gewonnene Partie zum Ausgleich zu verschandeln, das Remis war der folgerichtige Abschluss. Andreas ging früh ins Damenendspiel mit Mehrbauer, doch er fand keine Möglichkeit, diesen Vorteil zum Gewinn zu führen, somit auch remis. Harm-Wulf wiederum hielt das Turmendspiel mit einem Bauern weniger relativ locker remis, da sein Turm den gegnerischen König nicht über die sechste Reihe kommen ließ, Ergebnis remis, Zwischenstand 1,5 : 1,5.
Phase 4
Nun spielte nur noch Philipp. Sollte es ihm nicht gelingen, seinen Gegner niederzuringen und nur remis zu machen, käme es zum Losentscheid. Das wäre im Hinblick auf den Spielverlauf äußerst unbefriedigend für uns, die Möglichkeit, auszuscheiden oder weiterzukommen einer Münze anzuvertrauen, ist ein grausiger Gedanke. Nun zeigte Philipp aber den Charakter, den ein Spieler haben muss, um solch ein schwieriges Damenendspiel zu gewinnen. Beide hatten nur noch Dame und König auf dem Brett, Philipp aber dazu einen Bauern. Philipps Nerven hielten stand, besonnen führte er die Partie zum Sieg, Endstand 2,5 : 1,5 und die Qualifikation für NRW erreicht nach einem harten Schach-Arbeitssonntag.
Oswald Gutt
Bergisch Gladbach, 14. Februar 2023