Der Mannschaftskampf Stadtverwaltung Bonn I – Bergische Schachfreunde I vom 03.07.2021, ein Bericht von Mannschaftsführer Oswald Gutt

 

 

 

 

An diesem Samstag sollte sich entscheiden, ob unsere Erste weiterhin in der NRW-Klasse spielen kann, oder den Weg in die Regionalliga antreten muss. Ein Unentschieden wäre für den Klassenerhalt ausreichend gewesen. Bei einer Niederlage wären wir zwar punktgleich mit Bonn-Beuel, aber aufgrund der weniger erzielten Brettpunkte abgestiegen.

Das war die Ausgangslage, und im Gegensatz zur 8. Runde vom Vorsonntag fehlten uns mit Christian Heckötter, Jochen Eilers und Philipp Gelsok drei Stammspieler. Am Mittwochabend hatte ich aber meine Truppe beisammen: Günter Mann, Andreas Winckler und unser in Bonn wohnhafte Schachfreund Joachim Metzing (mit gebrochenem Arm!), komplettierten das Team an den Brettern sechs bis acht.

Der Wettkampf begann für uns überraschend unerfreulich. Manfred Harringer, am vorangegangen Spieltag noch souveräner Sieger am zweiten Brett, trat dem Trompowski-Aufbau seines Gegners aggressiv entgegen, spekulierte auf Damenfang, verlor aber stattdessen einen Turm und musste bald aufgeben.  Unser bislang bester Punktesammler, Harm-Wulf Thelen, spielte am vierten Brett ein forsches Wolga-Gambit und setzte etliche Sticheleien am Damenflügel. Sein Gegner führte aber ein erfolgreiches Konterspiel im Zentrum auf, und so musste auch Harm-Wulf nach zäher Gegenwehr letzten Endes die Waffen strecken.

Ich hatte meine Hausaufgaben (anders als am Vorsonntag) gemacht und mich für die Reti-Eröffnung entschieden.  Dies sollte eine Überraschungswaffe auf das zu erwartende slawische Damengambit sein, und so kam es auch. Nachdem unsere Partie bis zum 17. Zug ausgeglichen verlief, beging mein Gegner einen Fehler, wonach ich großen Vorteil erreichte. Aber statt seiner bereits zertrümmerten Königsstellung den Rest zu geben, ließ ich in meinen Berechnungen nach und gestattete ihm Gegenspiel, welches ich nun sorgfältig parieren musste, um nicht noch ganz leer auszugehen. Im 39. Zug wurde dann das Remis vereinbart.

 

In unserem Telefonat am Mittwochabend hatte mich Andreas Winckler noch gefragt, was er denn mit Weiß spielen solle. Ich antwortete: „Das, wobei Du Dich am besten fühlst.“ Und so war denn seine Wahl schnell getroffen, 1.b4! Dies erwies sich als Volltreffer, Andreas zeigte eine beeindruckende Vorstellung, drängte seinen Gegner in die Enge, eroberte dessen (b!)-Bauern und münzte diesen Vorteil im Läuferendspiel in einen Sieg um, eine tolle Leistung!

 

 

Günter Mann verlor in seiner Partie am sechsten Brett nie die Kontrolle. Gerne hätte er gegen 1.e4 seinen geliebten Paulsen-Sizilianer gespielt, aber auch mit der geschlossenen Eröffnung seines Gegners kam er gut klar, das Remis war das logische Ergebnis, und Günter und die Mannschaft konnten zufrieden sein.

Unser gehandicapter Joachim Metzing bekam es als Schwarzer am achten Brett mit der Italienischen Eröffnung zu tun, die derzeit auf allen Ebenen wieder groß in Mode ist. Offenbar wollte er diese Mode aber partout nicht mitmachen, und so leistete er sich Extravaganzen, die letztlich zum Verlust zweier Bauern führte. Wer ihn nun bereits abgeschrieben hatte, wurde eines besseren belehrt. Zäh und stoisch hielt er den Gewinnbemühungen stand, bis es ihm gelang, die Partie in ein Endspiel mit ungleichen Läufern zu führen. Nachdem seine zweimalige Remisanfrage abgelehnt worden war, bot sein Gegner kurz danach entnervt selbst remis an. Damit hatten unsere Ersatzspieler hervorragende zwei Punkte aus drei Partien erzielt.

Beim Stand von 3,5 : 2,5 für die Bonner spielten nun noch Stefan Bosbach und Hans-Josef Weiser jeweils mit Weiß an den Brettern eins und drei. Und diese Partien entwickelten sich zum Krimi mit ungewissem Ausgang!

 

Stefan hatte sich in der Eröffnung, so wie ich, für 1.Sf3 entschieden und erreichte eine solide Position. Der holländische Aufbau seines Gegners verriet dessen aggressive Absichten. Eine Ergebnisabschätzung war für uns Kiebitze schwierig.

 

Dann aber leistete sich der Bonner einige positionelle Ungenauigkeiten die Stefan geschickt ausnutzte. Zum Schluss konnte er es sich leisten, trotz Minusfigur auf seine g-und h-Freibauern zu setzen, die sich vom gegnerischen Läufer nicht mehr bändigen ließen. Stefan gewann, und es stand 3,5 : 3,5!

Nun kam alles auf Hans-Josef Weiser an. Seine Partie hätte einen eigenen Artikel verdient und war eines guten Krimi-Schlusses würdig. Die Eröffnung hatte ihn völlig überrascht: In der spanischen Partie spielte sein Kontrahent das scharfe 3…f5!?, das berüchtigte Jänisch-Gambit. Auf Großmeister-Ebene derzeit kaum zu sehen, erfreut es sich doch in den unteren Klassen einer treuen Anhängerschaft. Hans-Josefs Zeitverbrauch in der Eröffnung sprach Bände. Schließlich setzte er auf eine Initiative am Königsflügel, während sein Gegner sich Zentrum und Damenflügel vornahm. Bald hatte der Bonner Bauernvorteil, den er noch ausbaute. Doch inzwischen hatte sich Hans-Josef zwei gefährliche Freibauern auf der g-und h-Linie verschafft, ähnlich wie Stefan am ersten Brett. Und nun geschah das Unglaubliche: Der Bonner, mit etlichen Mehrbauern im Turmendspiel ausgestattet, würdigt die Gefahr, die von Hans-Josefs Freibauern ausgehen, nicht genügend und setzt seine gewonnen geglaubte Partie noch in den Sand, 1 : 0 für Hans-Josef, 4,5 : 3,5 für BSF und Klassenerhalt mit Platz fünf als Abschluss in der Tabelle!

Ein wahnsinnig spannender Spieltag endet mit einem Sieg der Bergischen Schachfreunde!

Danke an alle Mannschaftskameraden für diese tolle Saison, wir haben es geschafft!

Oswald Gutt

Mannschaftsführer I. Mannschaft der Bergischen Schachfreunde

Bergisch Gladbach, 04.07.2021