Partie Michael Kronseder (Hürth-Berrenrath Senioren) gegen Oswald Gutt (BSF Senioren)
1.e4 e6 Nach längerer Zeit griff ich wieder zu meiner „alten Liebe“, der Französischen Verteidigung. 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 In meinen mittlerweile 106 mit Schwarz gespielten Französisch-Partien kommt das Winawer-System mit 3…Lb4 so gut wie nicht vor. Bis heute vertraue ich dagegen der klassischen Aufstellung. 4.Lg5 Die meisten Spieler, gleich welcher Spielstärke, vertrauen heutzutage auf den Vorstoß des Königsbauern (4.e5), der sog. Steinitz-Variante, benannt nach dem ersten offiziellen Schachweltmeister. Mit dem Textzug gibt mein Gegner zu erkennen, dass auch er „klassisch“ spielen möchte. 4…Lb4 [Die berüchtigte McCutcheon-Variante, die scharfes Spiel ergibt. Meine Resultate mit dieser Spielweise sind allerdings nicht gerade berauschend, aber ich hoffte auf den Überraschungseffekt. Stattdessen führt 4…Le7 5.e5 Sfd7 6.h4 Lxg5 7.hxg5 Dxg5 8.Sh3 De7 9.Sf4 zum Aljechin-Chatard-Angriff, der zwar objektiv für Weiß keinen Vorteil ergeben sollte, dennoch Schwarz eine sorgfältige Verteidigung abverlangt, will er nicht gleich in der Eröffnung ein Desaster erleben.] 5.e5 h6 6.Le3
Nach dem 6. Zug von Weiß
[6.Ld2 Lxc3 7.bxc3 (7.Lxc3?! Se4 8.Lb4 c5 9.dxc5 Sxf2! ist eine alte Falle) 7…Se4 galt über Jahrzehnte als die Hauptvariante im McCutcheon. Der Textzug ist jüngeren Datums und beabsichtigt die Stärkung des Zentrums, sogar auf Kosten eines Bauern.] 6…Se4 7.Dg4 Kf8 [In seinem umfangreichen Werk „The Modern French“ analysiert der serbische GM Dejan Antic ausführlich 7…g6 und hält dies in Verbindung mit späterem …h5 und Vertreibung der weißen Dame für eine aussichtsreiche schwarze Fortsetzung. Den Textzug erwähnt Antic am Schluss seiner Ausführung mit den Worten, „dieser sei natürlich auch spielbar“. Mein Pech, dass ich erwähntes Buch lange nicht mehr in der Hand hatte, jedenfalls wird mir das „spielbare“ Kf8 in der Partie noch viel Kummer bereiten.] 8.Ld3 [8.Sge2] 8…Sxc3 9.a3 La5 10.Ld2 c5 11.Lxc3?!
Nach dem 11. Zug von Weiß
[11.bxc3] 11…cxd4?! [Nachdem Weiß im 8. und 11. Zug doch recht nachlässig agierte, hätte ich nun mit 11…Lxc3+ 12.bxc3 Da5 13.Kd2 Sc6 eine nahezu klassische Druckstellung am Damenflügel und im Zentrum erreichen können. Stattdessen löse ich die Bauernstruktur zu Gunsten des Weißen auf, der nun für den Minusbauern eine harmonische Position mit Initiative erhält. Hier merkte ich, dass ich mein „Französisch dringend wieder aufpolieren“ muss.] 12.Lxa5 Dxa5+ 13.b4 Db6?! [klebt am Mehrbauern, etwas sicherer war 13…Dc7] 14.Se2?! [14.Sf3] 14…Sc6 15.f4 Ld7 16.0–0 [Fritz 13 plädiert für 16.Dh4] 16…Se7 17.Kh1 Sf5 18.Lxf5 exf5 19.Df3 Lb5 20.Tfd1 Lxe2 21.Dxe2 Tc8 [Noch kein Fehler, aber 21…g6 oder sogar 21…Ke7 waren angebracht, um die Zeit, die mein Gegner für den Rückgewinn des Bauern aufbringt, für die Evakuierung meines Königs zu nutzen.] 22.Td3 h5?! [22…Tc4] 23.Tad1 Db5? [23…Tc4 24.Df3 Th6 25.h3 Tg6 war immer noch ausgeglichen. Nach dem fehlerhaften Textzug ergreift Weiß die Initiative.] 24.Df2 Da4? [Nun wird´s langsam kritisch, 24…Dc4 25.Txd4 Dxc2 26.T4d2 Dc6 27.Dxa7 war schlecht genug für Schwarz, hält aber vielleicht soeben noch.] 25.Dxd4 Weiß steht auf Gewinn, da der Schwarze praktisch mit einem Turm weniger spielt. 25…Dxc2 26.Dxd5 Th6?! 27.Dxb7 Kg8?
Nach dem 27. Zug von Schwarz
[27…Dc7] 28.Dxc8+ wickelt in ein total gewonnenes Endspiel ab. 28…Dxc8 29.Td8+ Dxd8 30.Txd8+ Kh7 Eigentlich war es an der Zeit aufzugeben. Michael ist ein talentierter Angriffsspieler, und oft konnte ich beobachten, wie er weit stärkere Gegner mit seinem Spielstil in Verlegenheit oder sogar in die Niederlage stürzte. Doch auch dieses Endspiel sollte für ihn leicht gewonnen sein…oder? 31.Td7?! [ungenau, nach 31.Td6 g6 32.Ta6 gehen bei Schwarz definitiv die Lichter aus.] 31…Ta6 32.Td3 Tc6 33.g3 Tc7 34.Kg2 g6 den hätte ich besser mal im 21. Zug gemacht. 35.b5 Kh6 36.Tb3 [erschwert den Gewinn, besser war 36.Kh3] 36…h4 soll Verwirrung stiften… 37.gxh4?! …was auch gelingt. 37…Kh5 38.Kh3 Tc4 Ich bin wieder im Spiel, auch wenn es objektiv immer noch nicht zum Unentschieden reicht. 39.Kg3 Tc1 [39…Ta4 erschwert die weiße Aufgabe maximal, aber mittlerweile schien der Berrenrather über sich selbst so genervt, dass er langsam die Contenance verlor.] 40.a4?! [40.Td3] 40…Tg1+ 41.Kf2 Ta1 42.b6?
Nach dem 42. Zug von Weiß
[ein echter Murkszug in Panik, 42.Tb4 Kg4 43.Ke3 Kxh4 44.Kd3 Ta3+ 45.Kc2 Kg4 46.Kb1 Th3 47.a5 Txh2 48.b6 axb6 49.axb6 Th8 50.Kc2 g5 51.b7 Tb8 52.fxg5+ Kxg5 53.Kd3 f4 ist nach Fritz remis, aber wer hätte das von uns beiden gesehen?] 42…axb6 43.Txb6 Txa4 immer noch remis 44.Ke3 aus weißer Sicht bestenfalls noch remis 44…Kg4 45.e6? unfassbar, aber jetzt verliert er noch! 45…Te4+ Völlig frustriert reichte mir Michael die Hand zur Aufgabe und verschwand, verständlich, hatte er mich doch durch couragiertes Spiel am Rande der Niederlage! Dies war aber unsere einzige kritische Partie des Wettkampfes, meine Mannschaftskameraden siegten alle überzeugend, und so fuhren wir mit einem 4:0 im Gepäck heim. 0–1